Jeannine Budelmann
You Are Reading
Schul- und Kitaschließungen gehen uns alle an
214
Print

Schul- und Kitaschließungen gehen uns alle an

Erschienen in Markt und Mittelstand 01/2021.

Es ist wieder soweit: Schulen und Kitas bleiben oder werden geschlossen. Eine Bekannte berichtet von einer Situation, die keine Ausnahme ist: Die Schulstunde beginnt, 5 Schüler sind eingeloggt. Die anderen kommen nicht mehr rein – der Server ist überlastet. Der Lehrer kommt sowieso nicht rein. Nach 5 Minuten haben die Jugendlichen Abhilfe für ihre Langeweile gefunden, denn “der Counterstrike-Server läuft“. Ist es nicht blamabel, dass wir als führende Industrienation nicht mit Counterstrike mithalten können? Aber das ist nur eine Seite des Problems: der fehlende soziale Austausch, die mangelhafte Bildung für viele Kinder und deren langfristige Folgen – naja. Die meisten von uns betrifft es ja nicht direkt. Macht man die Bildungseinrichtungen halt zu. Auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes sollte eine kurzfristige Einschränkung von Bildungsangeboten im Schul- und Kitabereich ja keinen Einfluss haben. Die paar Mütter, die nebenbei noch ein bisschen arbeiten, machen den Kohl sicherlich nicht fett.

Falsch gedacht! In Deutschland haben 20% der Arbeitnehmer Kinder unter 11 Jahren. Eine Änderung in der Kinderbetreuung betrifft also potentiell jeden fünften Arbeitsplatz! Seit Pandemiebeginn werden Einschränkungen im Bildungsbereich extrem kurzfristig getroffen. Die Schulmail vom Samstag, in der mitgeteilt wird, wie am Montag zu verfahren sei, ist bereits im letzten Jahr zum Standard geworden. Es gibt keinen Fahrplan, an dem man sich orientieren könnte. Keine festgelegten Inzidenzwerte, bei denen ein Unternehmen bereits eine Entwicklung monitoren könnte um sich so besser auf potentielle Einschränkungen einzustellen. Nein. Stattdessen gibt es wieder eine Pressekonferenz, in der Dinge versprochen werden, deren Umsetzung oder Finanzierung aber nicht mitgedacht wurde. Das Kinderkrankengeld war diesmal so ein Fall. Die Eltern wurden dazu aufgerufen, es zu nutzen, sprich ab Montag für drei Wochen nicht zur Arbeit zu kommen. Gleichzeitig gab es Stand Montag keine rechtssichere Abwicklung. Das betrifft auch die Unternehmen. Denn auch wir wissen bei dieser Vorgehensweise der Politik nicht, wer in den kommenden Wochen wie arbeiten kann. Bei aller möglichen Flexibilität, die ein Unternehmen im Zweifel leisten kann: Wie soll eine Produktionsplanung so funktionieren? Was ist, wenn auf einmal am Montagmorgen genau die 2 Produktionsmitarbeiter wegen mangelnder Kinderbetreuung ausfallen, die für einen bestimmten Auftrag aufgrund ihrer Fachkompetenz wichtig waren? Wer fährt zum Kunden, um eine Inbetriebnahme zu machen, wenn der Mitarbeiter, der die Baustelle am besten kennt, nicht kommen kann, nur weil er ein Kind hat? Wer macht das Beratungsgespräch mit dem Neukunden, wenn die Projektleiterin zu Hause mit ihrem 3jährigen Kind sitzt, das sich nicht mal eben für 2 Stunden alleine beschäftigen kann? Die Folge ist: Aufträge werden später erledigt oder gar nicht. In manch kleinem Unternehmen können bestimmte Aufgaben gar nicht an andere Mitarbeiter verteilt werden, weil die Kompetenzen breit gestreut sind. Für die meisten Unternehmen ist das letzte Jahr der größte wirtschaftliche Einschnitt ihrer Existenz gewesen. Da gibt es mittlerweile keine Reserven mehr. Diese Unsicherheit geht nicht „nur“ auf Kosten der Kinder und ihrer Eltern. Sie kostet auch Unternehmen Zeit und Geld. Wir brauchen andere Lösungen, um mit diesem Virus zu leben. Kurzfristige Schul- und Kitaschließungen ohne Plan gefährden die Zukunft von uns allen!