Jeannine Budelmann
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Innovation und Inspiration
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Innovation und Inspiration

Erschienen in markt & wirtschaft westfalen 6/21.

28% aller Innovationen entstehen, wenn sich Menschen in der Natur aufhalten – der Wind bläst den Kopf frei und der Geist befreit sich von Ballast. Dem gegenüber steht der Anteil an Innovationen, der mithilfe von Kreativitätstechniken entsteht: magere 1%. Also endlich ein Argument gegen das lästige Brainstorming-Zettelchenschreiben im Team?

So einfach ist die Sache leider nicht. Durch die strikten Corona-Maßnahmen haben die Deutschen im vergangenen Jahr gezwungenermaßen viel Zeit draußen verbracht. So viele Spaziergänge durch Wald, Feld und Wiesen – da müsste es nun eigentlich einen regelrechten Innovationsschub geben. Staatlich verordnet sozusagen. Aber weit gefehlt: Gemäß der Statistik des Deutschen Patent- und Markenamtes ging die Anzahl der Patentanmeldungen von 2019 auf 2020 um ganze 7,9% zurück! Da fällt mir ein: Hatte nicht das eine oder andere Bundesland zu Beginn der Pandemie das Spazierengehen im Wald untersagt?

Daran lag es wohl eher weniger. Naheliegend ist ein anderer Grund: Innovationen, Erfindungen, Veränderungsprozesse – all das entsteht am besten in heterogenen Teams. Da, wo sich Menschen begegnen, die sonst nicht so viele Berührungspunkte miteinander haben. Man ist gezwungen „out of the box“ zu denken und verbindet so Erkenntnisse aus unterschiedlichen Bereichen. Damit die Arbeit in solchen Teams erfolgreich funktionieren kann, ist Vertrauen notwendig. So kann man wirklich frei assoziieren und sich auf die anderen einlassen. Genau dieses Vertrauen baut sich aber in einer virtuellen Welt nicht so leicht auf. Flipcharts und Brainstorming-Techniken lassen sich digitalisieren. Was sich aber nicht digitalisieren lässt, ist das Vier-Augen-Gespräch oder das Augenzwinkern zwischendurch, der gemeinsame Kaffee und das Fachsimpeln über ein gemeinsames Hobby, das man zufällig gerade ausgemacht hat. Diese vermeintlichen Kleinigkeiten sind grundlegende Voraussetzungen für Vertrauen und damit für Innovationen. Ganz davon abgesehen, dass es im Homeoffice nicht so einfach ist, sich ganz einem Problem hinzugeben, das so gar nichts mit der aktuellen Lebensrealität zu tun hat. Deshalb ist in gemeinsamen Kreativitätssitzungen die Abgeschiedenheit und die Konzentration auf ein Thema so wichtig.

Worauf wir uns also wieder dringend besinnen müssen: Innovationen kommen von Menschen. Wir müssen ihnen schnellstmöglich wieder die Arbeits- und Lebensumgebungen bieten, die sie brauchen, um wirklich kreativ sein zu können!