Jeannine Budelmann
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Mit dem Kopf durch die gläserne Decke
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Mit dem Kopf durch die gläserne Decke

Erschienen in Markt und Mittelstand 03/2021.

Der Weltfrauentag ist vorbei. Ein Tag voller Beteuerungen, Ideen und guter Vorsätze. Ob Frauenquote, die bessere Verteilung von Care-Arbeit oder die Umgestaltung des Elterngeldes – an Ideen mangelt es nicht. Umgesetzt werden Maßnahmen mit dem Ziel der beruflichen Gleichstellung von Frauen zwar, wenn überhaupt, nur halbherzig. Doch immerhin haben wir diese Bereiche seit Jahren auf dem Schirm – gut mit Zahlen belegt. Wo wir aber immer noch komplett vorbei schauen sind die Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, die außerhalb von Unternehmen liegen. Aber: Für Männer wie Frauen spielen Netzwerke für das berufliche Weiterkommen eine große Rolle. Schaut man auf Interessensverbände, Unternehmervertretungen, Parteien – das Bild ist dasselbe: Der alte weiße Mann, gerne Chef eines alteingesessenen Betriebes, steht an der Spitze. Durch Frauen, zumal durch junge, ist er einfach nicht zu ersetzen. Auch Verbände in anderen Bereichen haben Vorbildfunktion: Chef der Elternvertretung in der Kita? Der einzige Mann, der zum Elternvertreter einer der Gruppen gewählt wurde. Vorstand im Sportverein? Ein Mann, auch wenn es meist die Mütter sind, die ihren Nachwuchs regelmäßig zum Training kutschieren. So kann es nicht weitergehen.

Ein befreundeter Geschäftsführer eines großen Verbandes sagte kürzlich zu mir: „Aber Frau Budelmann, Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass derjenige den Posten bekommt, der dafür am besten qualifiziert ist?“. Rumms – da war sie, die gläserne Decke. Mit Vollgas hatte ich mir den Kopf daran gestoßen – dicke Beule inklusive. Denn ehrlich gesagt hatte ich genau das geglaubt: Du musst einfach nur ein bisschen besser sein als der beste männliche Gegenkandidat. Genau das hat man uns Mädchen und Frauen jahrelang erzählt. Schließlich hat dann ja keiner mehr ein Argument gegen die Frau. Vielleicht war das tatsächlich auch ein paar Jahre so – ich weiß es nicht. Aber scheinbar sind Frauen mittlerweile ernstzunehmende Gegner und auf echte Kämpfe haben viele Männer scheinbar keine große Lust – trotz des Klischees der sich mit Wonne prügelnden Jungs. Häufig genug landet also ein farbloser, führungsschwacher Mann auf dem Leitungsposten. Er wird den anderen männlichen Konkurrenten nicht zur Gefahr, beißt aber die lästigen Frauen einfach weg. Auch wenn ich mir mittlerweile eingestehen muss, dass das Märchen vom Aufstieg durch Kompetenz nicht wahr ist: Ich will, dass wir es wenigstens versuchen! Ist es nicht für Männer wie für Frauen großartig, von einem kompetenten Menschen zu lernen, besser zu werden und irgendwann tatsächlich gut genug zu sein, um eine bestimmte Position bekleiden zu können? Und das aus der Sicherheit heraus, dass man es wirklich kann! Keine Angst vor lästigen Konkurrenten egal welchen Geschlechts. Man weiß, was man kann, aber auch, was man nicht kann. Wenn ich mir als Mann eingestehen kann, dass es Frauen gibt, von denen ich lernen kann, was gibt es schöneres? Aber auch aus der anderen Perspektive wird ein Schuh draus: Wie stolz kann man(n) sein, wenn man sein Wissen so weitergegeben hat, dass jemand anderes damit noch mehr aus sich herausholen konnte! Also, liebe Männer: Lasst die guten Frauen vorbei, profitiert von ihnen und eignet euch das an, was euch fehlt. Und dann schafft es aus eigener Kraft, ohne Männergeklüngel! Ja, ich weiß, das hat man uns Frauen auch jahrelang erzählt. Aber Hand aufs Herz: Etwas zu erreichen, weil man der Beste ist – das fühlt sich toll an! Und gleichzeitig spart ihr uns ein paar weitere Beulen.