Erschienen in markt & wirtschaft westfalen 9/22.
1/3 der Inhaber und Geschäftsführer von Unternehmen in Deutschland sind weiblich. Je nach Region und Unternehmenszweck variieren die Zahlen etwas. Aber im Großen und Ganzen liegen wir ungefähr bei einem Drittel. Diese Zahl hat mich enorm verwundert, weil ich beruflich permanent in Situationen gerate, in denen ich die einzige Frau bin. Kürzlich war ich zu Gast auf einer Netzwerkveranstaltung, in der Studierende auf potentielle Chefs trafen. Sie sollten eine Vorstellung vom echten Arbeitsleben bekommen. Von den sechs Teilnehmenden auf der Unternehmensseite war ich, wie so oft, die einzige Frau.
Seit Jahrzehnten wissen wir, dass Vorbilder eine große Rolle bei der Entwicklung von Rollenbildern spielen. Kinder wachsen mit mehr weiblichen Erziehern in der Kita auf und erfahren mit voranschreitendem Alter in den weiterführenden Schulen eine kontinuierliche Steigerung des Männeranteils in der Rolle der Lehrer. Das heißt für Führungskräfte: Wenn ich als Studentin wahrnehme, dass Männer häufiger als Geschäftsführer arbeiten, dann nehme ich mir das wahrscheinlich nicht als Karriereziel vor. Eine festgefahrene Geschlechterstruktur manifestiert sich also relativ einfach selbst.
Diese Situation ist schon schlimm genug. Wenn wir aber über solche Veranstaltungen oder die Repräsentierung in den Medien eine Realität konstruieren, die es gar nicht gibt, also eine Diskussionsrunde einfach die Frauen fast vollständig unterschlägt, dann werden wir niemals eine wirkliche Gleichberechtigung der Geschlechter erreichen. Wenn wir die Frauen schon in solchen Veranstaltungen nicht gleich häufig zu Wort kommen lassen, dann doch wenigstens ungefähr so häufig, wie es in der Realität der Fall ist. Hier also mindestens zu 30%! Wenn junge Frauen eine solche Veranstaltung besuchen muss ihnen klar werden: Ja, wir sind zwar noch nicht so viele, aber immerhin gibt es Vorbilder, an denen ich mich orientieren kann. Und wenn junge Männer eine solche Veranstaltung besuchen muss ihnen klar werden: Ja, wir sind in der Mehrzahl, aber ein Selbstläufer wird es nicht.
Ich will, dass junge Frauen wie Männer wissen, wie es in der beruflichen Realität aussieht. Gleichzeitig müssen sie aber auch das Gefühl bekommen, frei entscheiden zu dürfen, was sie sein und werden möchten, ohne dass das Geschlecht eine Rolle spielt. Und wenn es dann nicht nur ein Gefühl wäre, sondern gesellschaftlich wirklich akzeptiert, dann müssten wir uns wahrscheinlich auch keine Gedanken mehr um gleichberechtigte Repräsentierung von Machtpositionen zu machen. Dann ergäbe sich das von selbst.