Jeannine Budelmann
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Was kommt nach dem agilen Management?
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Was kommt nach dem agilen Management?

Viktor Strasse (offenblen.de)

Erschienen in Markt und Mittelstand 02/2021.

Mit neuartigen Managementkonzepten ist es so, wie mit der berühmten Sau, die regelmäßig durchs Dorf getrieben wird. Alle paar Jahre kommt eine neue große Verheißung, die von den Beratungsunternehmen Stück für Stück in die Unternehmen getragen und implementiert wird. Die BCG-Matrix, das Lean-Management oder Porters „five forces“ sind klassische Beispiele aus der Vergangenheit. Gemeinsam ist ihnen, dass sie aktuelle Probleme aufgreifen und Lösungen dafür anbieten. Problematisch wird es allerdings, wenn das neu implementierte Managementmodell nach einer gewissen Zeit seinerseits ebenfalls Schwächen offenbart. In dieser Phase ist nun auch das aktuelle Wundermittel angelangt: das agile Führen.

„Avatar“, „Scrum-Master“, „Stand-up-Meeting“ – für Außenstehende hat das Konzept schon fast etwas Religiöses: Man muss erst initiiert sein, um die Bedeutung der vielen grellbunten Zettelchen zu verstehen, die munter auf Glasscheiben hin- und her geklebt werden und Begriffe enthalten, deren Bedeutung einem Außenstehenden verschlossen bleiben.

Das Konzept des agilen Führens kommt aus der Softwareentwicklung. Die ursprüngliche Idee war, verschiedene moderne Softwareentwicklungsmethoden unter einem Dach zu vereinen.  2001 wurde diese Idee im Rahmen des sogenannten agilen Manifests aufgeschrieben. Mittlerweile dominiert agiles Führen in hippen IT-Buden. Genau in denen, wo es auch den berühmten Kicker, den Obstkorb und keine festen Arbeitsplätze mehr gibt. Doch: Bringen sie das gewünschte Ergebnis? Gerade, wenn ein wesentlicher Bestandteil darin liegt, dass das Ergebnis gar nicht wirklich definiert ist, sondern stets mit dem Kunden erweitert und verändert wird? Ernüchterung macht sich breit. „Das Konzept funktioniert hervorragend, wenn wir Mitarbeiter haben, die Feuer und Flamme für ein Projekt sind. Leider kann sich nicht jeder Mitarbeiter für jedes Projekt entsprechend begeistern. Dann funktioniert das Konzept nicht mehr“ offenbarte mir ein Unternehmer, der bis vor kurzem ausschließlich agil gearbeitet hat. Die Erkenntnis: Wenn ich kein festes Ziel definiere, dann kann ich es auch nicht erreichen, kann keine Budgetgrenzen definieren und auch nicht das beste aus einem Softwareentwickler herausholen. Management by Objectives, ein vergleichsweise altes Konzept, bietet sich hier manchmal eher an. Das heißt aber nicht, dass agile Konzepte tot sind. Teile davon können in fast allen Kontexten angewandt werden. Sogar in so bodenständigen Branchen wie dem Bau sind 5minütige Stand-Up-Meetings mit allen Gewerken zweimal täglich eine hervorragende Maßnahme, um Termintreue und Qualität zu garantieren. Und auch die vielen bunten Post-its müssen wir nicht missen. Im HR-Bereich gibt es beispielsweise viele tolle Anwendungen dafür. Heißt: Agile Konzepte haben, wie auch ihre Vorgänger, ihre Berechtigung für spezielle Anwendungsfälle. Spannend ist die Frage: Wie geht es jetzt weiter? Ich denke, dass wir uns damit abfinden müssen, dass es nicht ein einziges Konzept gibt, das alle Bedürfnisse erschlägt. Für jedes Unternehmen und jede Mitarbeitergruppe gibt es andere Führungsmodelle, die passen. Solange sich diese individuell an den jeweiligen Anforderungen orientieren, ist es völlig in Ordnung, wenn es mal mehr und mal mal weniger strenge Führung gibt. Diese Idee bezeichnen wir mitunter als Postagiles Führen. Schauen wir mal, ob wir in 10 Jahren mit einem neuen Managementkonzept wieder eines Besseren belehrt werden!