Jeannine Budelmann
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Intrige oder Anstand – was währt länger?
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Intrige oder Anstand – was währt länger?

Erschienen im Wirtschafts Kurier 3. Quartal 2021.

Die Deutschen halten viel auf ihre Ehrenämter. Wer eines innehat, ist stolz. Und ähnlich wie ein Titel scheint ein offizielles Amt den Träger gleich ein paar Zentimeter wachsen zu lassen. Für diese Streicheleinheiten des Egos geht manch einer über die sprichwörtliche Leiche: Freundschaften, Loyalität und Ehrlichkeit haben in Konkurrenzsituationen um ein Amt keine Existenzberechtigung mehr. Selbst, wenn man kein Geld damit verdient. Unglaublich, wieviel Zeit sich manch einer nimmt, wenn es um puren Machterhalt geht! Dann ist alles Recht: Lästern, lügen, labern ist die Devise. „Hättest du eher was gesagt, dann hätten wir den Arsch einfach platt gemacht!“ Worte eines Verbandsmitglieds, das sich kurz darauf in einer engen Position mit ebendiesem „Arsch“ wiederfand. Warum nur kitzelt die Aussicht auf eine vermeintliche Machtposition das Schlechteste aus den Menschen heraus?

Wahrscheinlich ist Lügen und Betrügen für manch einen einfacher, als der ehrliche Weg. Ich kann die Idee, über eine Intrige, Lügen oder Gerüchte einen Konkurrenten auszuschalten durchaus nachvollziehen – allerdings finde ich diese Herangehensweise langweilig und furchtbar aufwändig. Für mich gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder, man kann etwas. Dann braucht man den inhaltlichen Kampf nicht zu scheuen. Oder die Kompetenzen fehlen schlicht und ergreifend. Dann ist natürlich das Lügen und Betrügen die einzige Variante, um an Macht zu kommen. Nur verdient man sie dann nicht. Schlimm wird es dann, wenn der Intrigant mangels Kompetenz die Position nur schlecht als recht ausfüllt. Denn dann wird die nächste Intrige fällig – es darf ja nicht auffallen! Ich glaube, dass diese Herangehensweise kurzfristig Erfolg bringen kann. Langfristig würde ich sie nicht empfehlen. Denn auch der besagte „Arsch“ und sein neuer Stellvertreter sind inzwischen Geschichte. Viel zerstörtes Vertrauen für 6 Monate Glanz im Lichte eines Verbandspostens. Ob sie in den Spiegel schauen können, weiß ich nicht. Ich wünsche ihnen, dass sie Frieden finden und irgendwann einmal das Gefühl kennen lernen, in einem ehrlichen Kampf zu gewinnen. Oder zu verlieren.