Jeannine Budelmann
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Deutschland, deine Ämter!
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Deutschland, deine Ämter!

Erschienen in Markt und Mittelstand 04/2021.

Es war klar, dass es irgendwann auch bei uns einmal soweit kommen musste: Ein Mitarbeiter hatte sich (außerhalb des Betriebs) mit dem Coronavirus infiziert und wurde in Quarantäne geschickt. Blauäugig und staatstragend wie ich war, bin ich davon ausgegangen, dass nun alles seinen geregelten Gang gehen würde. Die Prozesse würden in den gewissenhaft und effizient arbeitenden deutschen Ämtern nach über einem Jahr Pandemie sicherlich eingespielt sein.

Wie falsch ich doch lag! Insgesamt 5 Gesundheitsämter und 4 Ordnungsämter beschäftigten sich mit den Kontaktpersonen. Dass Menschen auch in einem anderen Landkreis arbeiten können – nicht nur dort, wo sie wohnen, scheint nicht vorgesehen. Was dazu führte, dass das ursprüngliche Gesundheitsamt den einen oder anderen Mitarbeiter von uns anrief, andere aber nicht. Ich vermute außerdem, dass nach viel öffentlicher Kritik an der faxbasierten Übermittlung von Daten durch Gesundheitsämter auf eine zuverlässigere Lösung umgestellt wurde – die Brieftaube. Anders kann ich mir nicht erklären, dass eine Mitarbeiterin erst nach über einer Woche in Quarantäne geschickt wurde. Sie wurde vorher übrigens von einer netten Dame aus ihrem Gesundheitsamt angerufen, die ihr inhaltlich nichts mitteilte außer, dass sie nicht für sie zuständig sei… Auch die Dauer der Quarantäne war abenteuerlich: Bei der Auszubildenden versuchte es das zuständige Gesundheitsamt erstmal mit 3 Wochen Quarantäne und ließ sich dann auf 2 Wochen „runterhandeln“. Ein anderer Mitarbeiter wurde zunächst explizit nicht, drei Tage später aber dann doch in Quarantäne gesteckt. Wer soll da noch durchblicken? Und vor allem: Was soll das?

Mittlerweile gibt es allerhand Verordnungen, Hygienekonzepte und Regeln, an die wir uns alle so gut wie es irgend geht, halten – auch wenn sich diese Verordnungen teilweise wöchentlich ändern. Nur, wenn ein Mitarbeiter sich an alles gehalten hat: Wie bitte soll ich dann der Belegschaft erklären, dass er trotz negativer Testergebnisse und trotz sklavischer Beachtung aller Regeln, Gesetze und Verordnungen, trotz alledem in Quarantäne geschickt wird?

So sehr ich mich auch bemühe, ich kann in diesem Chaos keine vernünftige Strategie erkennen. Im Gegenteil: Deutschland, unser geliebter Beamten- und Behördenstaat kann weder Kontaktnachverfolgung, noch Impfen, noch vernünftige Strategien für Öffnungen im Außenbereich. Wir Unternehmen müssen Homeoffice anbieten, auch wenn es in vielen Bereichen nachweislich ineffizienter ist. Wir müssen Tests anbieten. Wir würden auch gerne impfen. Aber was macht eigentlich der Staat? In NRW sollen alle Kita-Kinder zweimal wöchentlich ein Testangebot erhalten. Als Mutter eines Kita-Kindes lächle ich müde – es funktioniert natürlich nicht. Fazit: Der Staat darf Regeln aufstellen und selbst nicht einhalten. Wir halten sie ein und werden dennoch mit sinnloser Quarantäne und Behörden-Chaos bestraft. Und da wundern wir uns, warum immer weniger Menschen sich an diese Regeln halten? Übrigens, auch das sei erwähnt: Es hat sich kein Mitarbeiter angesteckt. Schön, dass wenigstens das funktioniert hat. Mit den ganzen administrativen Auswüchsen werden wir uns noch ein paar Wochen beschäftigen müssen. Denn das ist klar: Das geht auf jeden Fall seinen geregelten Gang!

Wir jedenfalls schaffen uns jetzt einen Taubenschlag an. Dann haben wir wenigstens die richtige Technologie zur Übermittlung unserer Formulare gefunden. Wobei: Bei der Menge brauchen wir vielleicht doch eher einen Packesel.